Freitag, 12. Dezember 2014

Die süße Diktatur des Nichts

Gastbeitrag von 


Die süße Diktatur des Nichts


Neulich erreichte mich bei Facebook diese Nachricht: "Steh' auf! Sonst bin ich weg!Deine Demokratie." Ich habe sie gelöscht, wie die meisten Nachrichten. Aber im Kopf, da blieb etwas zurück. Ich dachte: Wo soll sie denn hin, die Demokratie, wenn ich nicht aufstehe? Vielleicht zu einem anderen, der auch nicht aufsteht?
Reihe ich mich damit bereits ein in die Herde 
der Nichtssager, Nichtsdenker, Nichtaufsteher?
Wann ist es eigentlich schick geworden in unserem Land, nichts zu sagen und möglichst auch nicht selbstständig zu denken? Als ich im Jahr 2000 von Hamburg nach London gezogen bin, habe ich eine offene Gesellschaft verlassen. Als ich vor ein paar Jahren zurückkam, fand ich eine gleichgültige, verrohte und emotional-apathische Gesellschaft vor.
In der Öffentlichkeit wirkt jeder bemüht, sich möglichst in geistiger und moralischer Gleichschaltung zu üben, aber, und das ist das Erschreckende daran, hinter verschlossenen Türen, wird anders gesprochen. Da sagt ein Arzt: "Alles fühlt sich merkwürdig falsch an. Aber sobald ich zu zweifeln beginne, lese ich am nächsten Tag in der Zeitung, wie gut es uns geht." Auf meine Frage an einen Vorstandsvorsitzenden, ob es der Wirtschaft so gut gehe, weil die Regierung so gute Arbeit macht, kam nur ein abfälliges: "Wir sind gut, obwohl die am Ruder sind. Die wissen doch überhaupt nicht, was sie tun."
Entwickelt sich hier eine Art Parallelgesellschaft: offiziell laufen alle im Gleichschritt und privat laufen alle über? War das nicht schon in der DDR so, Frau Merkel, Herr Gauck? Was ist unter Ihrer Führung aus diesem Land geworden?
• Was ist das für ein Deutschland, indem man für einen Aufruf zum Frieden und Dialog öffentlich angefeindet wird? Bevorzugen Sie einen Aufruf zum Krieg?
• Was ist das für ein Deutschland, indem, wie der Spiegel gerade geschrieben hat: "die würdezersetzende Totalüberwachung zum Nichtthema gemacht wird. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Parlaments wird behindert, die Verstrickung von BND und Verfassungsschutz heruntergespielt, Konsequenzen werden nicht gezogen."(1)
• Was ist das für ein Deutschland, dass den Tag des Mauerfalls in einen Staatstrauertag mit Luftballons verwandelt und wie Max Uthoff es in der Anstaltausgedrückt hat, den "erbärmlichen Rest von einem Liedermacher" in den Bundestag einlädt? Haben Sie denn keinen Respekt vor der Geschichte?
• Was ist das für ein Deutschland, das uns im digitalen "Neuland" auf den letzten Platz in Europa abschiebt? Noch hinter Bulgarien und weit abgeschlagen hinter Russland.(2)
• Was ist das für ein Land, dass sich vor anderen Kulturen und Religionen fürchtet, und nicht müde wird, die Schwächeren an den Pranger zu stellen?
Ist da draußen jemand, der eine Antwort hat, irgendwo?
Kurz nach Eintritt in die deutsche Botschaft in London, wurde ich von einem diplomatischen Gittermappenbeweger zur Seite gezogen und musste mir ungefragt seinen Geheimtipp anhören: "Karriere machen Sie im Auswärtigen Amt nur, wenn Sie nicht auffallen. Was auch immer Sie tun, sehen Sie zu, dass Sie nicht auffallen."
Nicht aufzufallen ist eine Eigenschaft, die die Kanzlerin bis zur Perfektion beherrscht. Das ist das, was sie in der DDR lernen mußte, dass ist das, weshalb sie gut durchgekommen ist. Aber warum beeindruckt das Gesamtdeutschland? Warum wollen soviele Menschen Mitläufer und Nichtssager sein? Will denn niemand etwas bewegen, etwas verbessern? Was bleibt von uns, wenn wir nichts Gutes tun?
Sibylle Barden-Fürchtenicht ist Autorin des gerade erschienenen Buches "Triumph des Mutes - Wie wir unsere Angst besiegen und erfolgreich Krisen meistern"
Quellen/Referenzen
(1+2)

Zuerst erschienen bei: The Huffington Post am 11.12.2014

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